Zur Behandlung von Blasenentzündungen hat sich kaum eine pflanzliche Substanz so etablieren können wie die Moosbeeren oder Cranberrys. Aber aufgepasst: es ist ein Unterschied, ob man eine akute Blasenentzündung behandelt oder sich vor wiederkehrenden Blasenentzündungen schützen möchte. Oder anders gesagt: Hat der zur reissenden Flut gewordene kleine Bach erst einmal seine volle Wucht entfaltet, muss man etwas anderes machen als beim Starkregen, der ohne Schutzmassnahmen zur reissenden Flut werden könnte.
Bei einer akute Blasenentzündung sind Cranberrys ohne Nachweis einer Wirksamkeit
Es gibt keine seriösen Studien, die zeigen, dass Cranberrys bei einer akuten Blasenentzündung helfen. Vielmehr haben Untersuchungen gezeigt, dass andere pflanzliche Kombinationspräparate einer antibiotischen Therapie nicht unterlegen sind. Man muss jedoch wissen, dass alleine viel Trinken und Schmerzmittel auch in ca. 66 % zu einer Heilung führen. Es dauert zwar länger als eine antibiotische Therapie, hilft aber auch und ist im Zweifelsfall viel preiswertes als pflanzliche „Versprechen“. Einzige – aber wichtige Ausnahme: Wenn es zum Fieber kommt, muss ein Antibiotikum eingenommen werden!
Schutz vor wiederkehrenden Blasenentzündungen: Cranberries (Moosbeeren) als Anti-Klebstoff
Der Saft der Moosbeere wurde in der nordamerikanischen Volksmedizin schon lange gegen Blasenentzündungen eingesetzt. In der westlichen Welt wird die Moosbeere bei dieser Erkrankung seit fast 25 Jahren empfohlen. Ausgangspunkt war eine hochrangig veröffentlichte Studie. Bei 153 älteren Frauen konnte durch Gabe von 300 Milliliter Cranberry-Saft die Rate der Bakterienausscheidung im Vergleich zu einer Kontrollgruppe fast halbiert werden. Der Wirkmechanismus ist, dass der rote Farbstoff der Moosbeere, das Proanthocyanidin (PAC), die Oberflächenanker der Kolibakterien blockiert. Ob die verminderte Ausscheidung von Bakterien aber auch mit weniger Blasenentzündungen einherging, wurde nicht untersucht.
Viele Folgeuntersuchungen haben aber derart widersprüchliche Ergebnisse ergeben, dass frühere Empfehlungen für Cranberrys zurückgenommen wurden. Auch in der Laienpresse wie beispielsweise der New York Times wurde der heilende oder auch vorbeugende Effekt des Moosbeerensaftes infrage gestellt. Nicht vergessen werden darf, dass der Saft der Moosbeere bei einer Daueranwendung nicht preiswert ist. Auch die Angaben hinsichtlich der Menge schwanken erheblich. Nimmt man Saft, nimmt man Pulver – welche Konzentration des Wirkstoffs Proanthocyanidin (PAC) ist vorhanden?
Eine Analyse aus dem Jahre 2017 ergab, dass die Einnahme von Cranberries bei Kindern und Frauen im Alter von 36 bis 55 Jahren statistisch nachweisbar zu einer Reduktion der wiederkehrenden Harnwegsinfekte führte. Es müssen aber mindestens 36 Milligramm der Wirksubstanz Proanthocyanidin (PAC) täglich zugeführt werden.
Neue Studien: Cranberrys sollen Rezidivrate doch um 30 % senken!
Die berühmten Cochran-Analysen sind Übersichtsarbeiten, die unabhängig von gezielten Interessen sind und einer immer gleichen wissenschaftlichen Systematik folgen. Zur Frage der Effektivität von Cranberrys zur Verminderung von wiederkehrenden Blasenentzündungen erfolgte jetzt eine 2023-Aktualisierung früherer Studien, wobei die letzte aus dem Jahre 2012 stammte. Jetzt konnten 26 zusätzliche Studien ausgewertet werden, so dass insgesamt mehr als 8800 Frauen in randomisierten Studien verglichen wurden. Bei 45 Studien wurden Cranberrys entweder gegen Placebos oder andere Behandlungen verglichen. Im Ergebnis zeigte sich, dass das Risiko von wiederkehrenden Blasenentzündungen durch eine regelmäßige Einnahme von Cranberry-Produkten um 30 % verringert werden konnte (6211 Frauen: relatives Risiko 0.70, 95 % confidence Intervall 0.58 bis 0.84).
Botschaft am Ende
Diese neuerliche Klarstellung nach bestem wissenschaftlichen Wissen und Gewissen ist hilfreich, weil sie damit einen weiteren Baustein in der vielfältigen und mitunter komplizierten Massnahmenkaskade zur Verringerung von wiederkehrenden Blasenentzündungen darstellt:
- erst seit 2018 bewiesen: viel trinken reduziert die Rate der Blasenentzündungen um ca. 50%
- ausreichende lokale Östrogenisierung
- Methenamin – ein hilfreiches Salz mit bewiesener Wirkung
- Einnahme von Cranberrys
- operative Massnahmen bei speziellen Erkrankungen
- und viele andere mehr …..