Blasenprobleme des Mannes: die Qual des „Blitzpinkelns“

Die Älteren kennen noch die »Sextanerblase«, weil die Schüler in der Sexta als erster Gymnasialklasse ständig vor Aufregung aus dem Unterricht rannten. In der früheren DDR sprach man von der »Pionier-« und im katholischen Rheinland von der »Ministrantenblase«. Originell ist die »Eichhörnchenblase«, der angeblich die Idee zugrunde liegt, das Eichhörnchen springe deshalb so unruhig hin und her, weil es dringend zum Klo müsse.

Die schwache Blase: bei Männern und Frauen unterschiedlich 

Sprechen Frauen über eine zu schwache Blase, meinen sie oft den unkontrollierten Urinverlust bei körperlichen Anstrengungen. Anders beim Mann. Denn ein Urinverlust ohne vorherigen Drang – also beim Husten oder Springen – ist bei Männern selten und tritt fast nur nach operativen Eingriffen auf. Vielmehr spricht man beim Mann von einer schwachen Blase, wenn der Harndrang plötzlich und wie beim »Blitzpinkelns« kaum unterdrückbar einschießt. 

Die weibliche Harnröhre ist kurz und „senkrecht“ nach unten verlaufend. Beim Husten und anderer körperlicher Belastung wirkt dann der Druck des Bauchraumes direkt nach unten – und ist sehr „schwächeanfällig“. Beim Mann ist der Verlauf im Becken „abgewinkelt“ und bei einer Druckerhöhung kommt es zum Abknicken des Verlaufes der Harnröhre. Für die Dichtigkeit wirken außerdem die Prostataanteile vermutlich unterstützend, weil sie türflügelartig nach innen gedrückt werden und den unwillkürlichen Urinablauf behindern (aus Roth „Blase gut, alles gut“, Droemer Knaur Verlag, 2022)
Ist nur die Prostata an diesen Pinkelattacken schuld? 

Diese Frage hat schon Tausende von Wissenschaftlern beschäftigt. Aber unabhängig von den scheinbar unklaren Störungen gibt es auch eindeutige Gründe, warum eine Blase gereizt sein kann, von Steinen bis hin zu einem Tumor oder neurologischen Erkrankungen wie dem Morbus Parkinson.

Ein Auslöser kann aber die Prostata sein. Denn ist die Prostata vergrößert oder so eng gewachsen, dass sich die Blase nicht mehr normal entleeren kann, kommt es zu einer Hypertrophie des Blasenmuskels. Diese Verdickung des Blasenmuskels kann dann zu Störfeldern mit einer verminderten Durchblutung oder falschen Verschaltungen von Nerven führen. Ähnlich den Rhythmusstörungen des Herzens können plötzliche Drangepisoden der Blase die Folge sein.

Wann ist die Prostata für die „Blasenprobleme“ verantwortlich

Es gibt mehrere Hinweise, wann die Prostata für eine „nervöse“ Blase verantwortlich sein könnte. Dann kann man diese je nach Schweregrad der Symptome medikamentös, interventionell oder operativ behandeln.

  • Die betroffenen Männer berichten über einen abgeschwächten Harnstrahl.
  • Wird der Harnstrahl als unauffällig beschrieben, sollte man fragen, wie es in der Nacht ist. Viele Männer mit Prostataengen beschreiben, dass der Harnstrahl nachts auffällig schlecht sei. Die Ursache ist der „eingeschlafene“ Blasenmuskel, der erst „wach“ werden muss, um die Prostataenge zu überwinden. Dieses versteckte Zeichen einer obstruktiven Prostata ist in der Literatur wenig bekannt
  • Ein wichtiger Hinweis ist Restharn. Aber aufgepasst: Restharn ist ein häufiges und von vielen Einflussfaktoren abängiges Phänomen. Deshalb sollte die Messung mehrmals erfolgen.  
  • Man sollte bei voller Blase den Blasenmuskel mit Ultraschall beurteilen. Ist er verdickt wie die Muskelpakete der Body-Builder und / oder hat er divertikelartige Ausstülpungen als Zeichen für eine Widerstandserhöhung durch die einengende Prostata?
Ist die Prostata vergrößert und die Urinpassage behindert (rechte Bildhälfte), ver­ dickt sich der Blasenmuskel. Innerhalb der Muskelverdickungen kann es zu Vernar­ bungen, Muskelknoten, Arealen mit einer Minderdurchblutung und elektrischen Störfeldern kommen, welche die plötzlichen Drangepisoden oder Pinkelattacken der Blase auslösen (aus Roth / von Rundstedt „Der Prostata- und Blasen-Guide“, Droemer Knaur Verlag, 2023)
Wenn es nicht die Prostata ist. Was löst dann den Blasendrang aus?
  • Auch die Blase altert: Normalerweise ist der Hohlmuskel der Blase extrem dehnungsfähig und kann circa einen halben Liter Urin speichern. Mit zunehmendem Alter verliert der Blasenmuskel aber seine Dehnungsfähigkeit und aus der Blase als einem großen Softball wird ein kleiner steifer Fußball.
  • Problem »Rentnerblase« : Eine Erfahrung aus dem Alltag der urologischen Sprechstunde ist, dass die Probleme mit dem Blasendrang oft kurz nach dem Rentenbeginn zunehmen. Liegt es daran, dass Rentner auf einmal Zeit haben bei dem geringsten Blasendruck die Toilette aufzusuchen? Aber dadurch wird die Blase nicht mehr trainiert und gedehnt. Lassen sie die Betroffenen einmal zu Hause messen, wieviel Volumen noch in ihre Blase geht. Oft sind es nur 200 ml, also nur noch die Hälfte des normalen Volumens.
  • Im Alter scheidet man nachts mehr Urin aus, denn auch die Nieren altern. Der komplizierte Vorgang der Konzentration des Urins unterliegt auch Alterungsphänomenen. So weiß man, dass ein älterer Mensch nachts ungefähr doppelt so viel Urin ausscheidet wie in jungen Jahren. Wenn diese Urinmenge dann in einer verkleinerten Blase gespeichert werden muss, müssen viele in der Nacht häufiger aufstehen
  • Ständiger Harndrang bei kleiner Prostata und leerer Blase: Gibt es das? Es gibt viele Männer, die eine kleine Prostata ohne jeden Restharn haben und trotzdem über den ständigen und blitzartigen Harndrang klagen. Das kann viele Ursachen haben (s. Tabelle)
Was kann man gegen den Blasendrang tun?

Natürlich wird man ursächlich behandeln, wenn sich ein Auslöser wie ein Blasenstein oder ein Blasentumor findet. Bei der Nykturie, dem vermehrten nächtlichen Wasserlassen gibt es spezielle Probleme, die separat erörtert werden müssen. Hier einige Tipps, was man generell beim Blasendrang machen kann:

  • Bei einer nachgewiesenen zu kleinen Blasenkapazität von unter 200 – 250 ml Volumen sollten die Betroffenen ein Blasentraining durchführen, um die Blase wieder größer zu bekommen. Ein Hinauszögern der Entleerung dehnt die Blase allmählich wieder. Aber wichtig: vorher muss man mit Ultraschall eine ausreichende Entleerung der Blase sicherstellen.
  • Zu pflanzlichen Substanzen, die von vielen Männern eingenommen werden, gibt es keinerlei seriöse klinische Studien. Ich empfehle den Männern die „New-York-Regel“ in Anlehnung an das empfohlene Vorgehen von New Yorker Kollegen. Diese raten das Ausprobieren von Phytotherapeutika immer für einige Wochen und bei Erfolglosigkeit ein 2. und 3. Präparat zu testen, dann aber im Falle einer fehlenden Besserung auf klinisch getestete Substanzen zu wechseln (die ja auch von der Kasse gezahlt werden im Unterschied zu den Phytotherapeutika).
  • Blasendämpfende Medikamente greifen in die autonome Steuerung der Blase ein. Man kann den blasenstimulierenden Parasympathikus mit sogenannten »Anticholinergika« hemmen, muss aber wissen, dass diese oft erst nach zwei bis vier Wochen ihre Wirkung entfalten und es den Patienten sagen.  
  • Alternativ kann man heute den blasenhemmenden Sympathikus medikamentös mittels der Substanz »Mirabegron« aktivieren und eine Blasensedierung erzielen.
  • Leider wenig bekannt ist die Neuromodulation. Diese Nervus tibialis-posterior-Stimulation geht auf die traditionelle chinesische Akupunktur zurück. An einem Punkt an der Innenkante des Schienbeins eine Handbreit oberhalb des Innenknöchels werden Klebeelektroden mit einem batteriegetriebenen Impulsgeber verbunden und täglich für eine halbe Stunde über zwölf Wochen stimuliert. Bei rund 60 Prozent der Betroffenen kommt es zu einer Verbesserung der Drangbeschwerden der Blase mit zum Teil anhaltendem Effekt. 
  • Bei der Botox-Therapie wird hochverdünntes Botulinumgift in den Blasenmuskel gespritzt und ist mittlerweile eine Standardbehandlung. Die Injektion an 10 bis 30 Stellen erfolgt in Kurznarkose mit Hilfe einer Blasenendoskopie. Auch wenn Botulinum bei Mann und Frau gleich wirkt, ist das besondere Problem die Prostata! Denn wächst die Prostata obstruktiv, besteht das Risiko, dass der Blasenmuskel so geschwächt wird, dass es zur Harnverhaltung kommen kann. 
Bei der Botox­-Behandlung erfolgt eine Blasenspiegelung (1), und durch den Ar­beitskanal des Gerätes (2) wird die flexible Nadel unter optischer Kontrolle an meh­reren Stellen der Blasenwand (3) tief in den Blasenmuskel eingeführt und dort das Medikament eingespritzt, wo es sich dann in der Umgebung verteilt. Beim Mann ist das Problem, dass eine vergrößerte Prostata (4) nach der Behandlung zu einer Behinderung der Blasenentleerung führen kann. 
Botschaft am Ende

Die überaktive Blase des Mannes muss dringend von der fast automatischen Zuordnung zu einer zu großen oder zu engen Prostata befreit werden. Es wurden leider viel zu viele Männer operiert, deren Drangbeschwerden der Blase auch durch andere Maßnahmen hätten gebessert werden können.

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