Methenamin: Wundermittel gegen Zystitis

Wer hat Methenamin entdeckt?

Es war der berühmte russische Chemiker Alexander Butlerov (1828 – 1886), der 1859 das Hexamin oder Methenamin und das Formaldehyd oder Formalin entdeckte. Methenamin ist ein gitterförmig aufgebautes Salz, das aus Formaldehyd und Stickstoff besteht und in Flüssigkeiten sehr gut löslich ist.

Wie wirkt Methenamin?

Denn Formaldehyd hemmt die Zellvermehrung, weil es den Stoffwechsel der Bakterien blockiert und dadurch lebensnotwendige Stoffe für die Zellen nicht mehr gebildet werden. Diesen Effekt der Blockade der Zellvermehrung bezeichnet man als „bakteriostatisch“. Die Bakterien können sich nicht mehr vermehren und werden ausgeschwemmt oder vom Immunsystem des Erkrankten eliminiert oder sterben ab. Anders wirken bakterizide Substanzen. Sie töten in gewisser Weise die Bakterien direkt, indem sie die Zellwand von Bakterien schädigen, so dass sie nicht überleben können. Und besonders wichtig: Mikroorganismen können gegen Formaldehyd KEINE Resistenz entwickeln.

Besonderheiten im Wirkungsprofil von Methenamin

Wenn man Methenamin schluckt, wird es sehr leicht aus dem Magen-Darm-Trakt in das Blut aufgenommen. Vor der Ausscheidung in der Niere wird es chemisch kaum verändert, so dass das Salz nur minimal im restlichen Körper anflutet. Wenn man 2 x 1 Gramm Methenamin schluckt, zeigt sich im Urin eine kontinuierliche antibakterielle Aktivität, weil das Methenamin kontinuierlich im Urin ausgeschieden wird.

Wie gefährlich ist Formaldehyd ?

In Tierversuchen hat man den Tieren hohe Dosen von Methenamin direkt ins Blut oder im Futter gegeben, aber außer Reizungen der Magenschleimhaut keine nachteiligen Folgen festgestellt. Auch im Langzeitversuch traten keine ernsthaften Nebenwirkungen auf, als man Ratten die doppelte Dosis wie beim Menschen für 12 Monaten und bei Affen für 6 Monate gab.

Nebenwirkungen von Methenamin
  • Die Substanz ist gut verträglich und weniger als 3,5 % der Patienten haben Nebenwirkungen. Am häufigsten werden Übelkeit und Erbrechen beklagt, seltener ein Hautausschlag oder ein Brennen bei der Blasenentleerung. Da man es mit Nahrungsmitteln einnehmen kann, wird dadurch die Verträglichkeit von Methenamin gesteigert.
  • In einer Studie zeigte sich bei einigen Patienten eine Erhöhung der Leberwerte, die sich bei fortlaufender Einnahme der Substanz wieder normalisierten. Trotzdem wird wegen dieser Berichte insbesondere bei Patienten mit einer Leberfunktionsstörung empfohlen, die Leberwerte zu kontrollieren.
  • Da Methenamin über die Nieren ausgeschieden wird, sollte man bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion gegebenenfalls die Dosis reduzieren. Auch bei Patienten mit einer Gichterkrankung sollte man aufpassen, da diese Patienten dazu neigen, dass Kristalle im Urin als Steine ausfällen (sog. Harnsäuresteine). Gleiches gilt auch für Betroffene, die Sulfonamide wie beispielsweise Cotrimoxazol gegen Harnwegsinfekte als Antibiotika einnehmen, da es auch hier zum Ausfällen unlöslicher Kristalle kommen soll.
Wie kann man den Effekt von Methenamin steigern?

Bei dem häufigsten Erregern von Blasenentzündungen, den Coli-Bakterien, wirkt Methenamin bzw. Formaldehyd sehr gut. Man sollte aber einige Besonderheiten wissen:

  • Bestimmte Bakterien (Proteus, Klebsiellen, Pseudomonas und Staphylokokken) machen den Urin basischer, so dass vom Methenamin das Formaldehyd schlechter abgespalten wird. Hier ist wichtig, den Urin zusätzlich anzusäuern.
  • Auch bestimmte Nahrungsstoffe machen den Urin basisch oder alkalisch. Dazu gehören beispielsweise die meisten Früchte, Gemüse und Milch. Auch hier muss eventuell ein Medikament eingenommen werden, um den Urin anzusäuern.
  • Genauso gibt es Nahrungsmittel, die den Urin sauer machen, so dass viel Formaldehyd aus dem Methenamin freigesetzt wird. Dazu gehören Eiweiß und Früchte wie Cranberry (großfruchtige Moosbeere), Orangen und Pflaumen.
Aber ist Methenamin nicht auch gegen das Schwitzen?

Ja, es gibt Salben, die Methenamin enthalten, um Schweißabsonderungen zu vermindern. Dabei wird der Wirkstoff auf die betroffenen Stellen in Achseln oder an den Füßen dünn aufgetragen. Da Schweiß sauer ist, wird dadurch aus dem Methenamin das Formaldehyd freigesetzt.

Dies Formaldehyd löst eine Verklumpung von Eiweißen aus, die dann widerrum die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen verstopfen und die Schweißabsonderung reduziert. Man muss aber wissen, das der Effekt zeitlich befristet ist und die Salbenbehandlung in regelmäßigen Abständen wiederholt werden muss.

Methenamin: Zur Akuttherapie der Zystitis geeignet?

Nein, bei einer akuten Blasenentzündung ist die Blase mit Bakterien überschwemmt, so dass es zu den massiven Beschwerden kommt. Trotzdem muss man nicht unbedingt Antibiotika nehmen, es gibt gute Beweise, dass man auch nicht-antibiotisch vorgehen kann.

  • So ist bewiesen, dass 2/3 aller bakteriellen Blasenentzündungen auch mit der Gabe eines Schmerzmittels und reichlich trinken behandelt werden können. Die Betroffenen müssen nur wissen, dass es bis zur Symptombesserung länger dauert.
  • In einer großen Studie aus dem Jahr 2018 konnte ebenfalls gezeigt werden, dass der Versuch einer pflanzlichen Therapie der antibiotischen Gabe zumindest nicht unterlegen ist.
  • Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass Methenamin das Wiederauftreten einer Blasenentzündung mit einer hohen Effektivität verhindern kann. Wenn zu Beginn einer sich anbahnenden Entzündung die Menge der Bakterien noch gering ist, scheint der Effekt von Formaldehyd zu greifen, indem es die Vermehrung der Bakterien stoppt. Dadurch wird das erneute „Aufflammen“ einer bakteriellen Entzündung unterbunden.
Wirklich eine kleine Revolution

Wenn es ein harmloses Salz schafft, das Wiederauftreten einer Blasenentzündung mit einer 70 % -igen Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, ist das eine kleine Sensation. Für Frauen, die nur gelegentlich eine Blasenentzündung haben, wird es einfacher sein, bedarfsgesteuert eine Akuttherapie in welcher Form auch immer (Trinken, Schmerzmittel, pflanzliche Präparate) durchzuführen. Aber die geplagten Frauen, die aus dem „chemischen“ und nebenwirkungsreichen Teufelskreislauf der Antibiotika-Dauertherapie nicht heraus kommen – für die ist mit dem Beweis der Effektivität dieses Salzes ein großer Schritt getan. Bleibt nur zu hoffen, dass es trotz europäischer Regulierung gelingt, die Substanz auch wieder zuzulassen und damit erstattungsfähig zu machen.

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