Neue Gentherapie hilft bei Blasenkrebs

Blasenkrebs: Von Schwerverbrechern und Taschendieben
Operative Therapie des Blasenkrebs
Bei der operativen Entfernung des Tumors (TUR Blase, s. Text) wird unter optischer Kontrolle der Tumor entweder mit einer elektrischen Schlinge (1) oder einem Laser (2) abgetragen. Wichtig ist, auch den Tumorgrund separat zu entfernen (3). Das Gewebe wird dann vom Pathologen unter dem Mikroskop beurteilt, um die Tumortiefe und den Tumortyp zu klassifizieren und daraus weitere Therapieschritte abzuleiten.
Therapie des Blasenkrebs
  • Ta low Grade Tumor der Blase (oberflächlich, wenig aggressiv)
  • Ta high Grade Tumor der Blase (oberflächlich, aggressiv)
  • Carcinoma in situ (oberflächlich, aggressiv, flächig wachsend)
  • T1 high Grade Tumor der Blase (oberflächlich aggressiv einwachsend)
  • T2 high grade Tumor der Blase (aggressiv in den Blasenmuskel einwachsend)
  • T3 high grade Tumor der Blase (aggressiv über den Blasenmuskel hinaus in das umgebende Fettgewebe einwachsend)
Der tief(er) einwachsende Blasenkrebs
Bei der Ersatzblase wird körpereigener Darm des Erkrankten umgewandelt. Er wird unter Berücksichtigung der Durchblutung aus der Darmkontinuität ausgeschaltet (1,2)). Dann wird zur Verringerung des Innendruckes und zur besseren Flächennutzung der Darm auf der der Durchblutung gegenüber liegenden Seite durchtrennt (3) und dann zu einer Kugel (4) umgenäht. Diese Darmkugel stellt die Ersatzblase dar, mit der dann die beiden Harnleiter von den Nieren (5) verbunden werden. Diese Ersatzblase wird dann oberhalb des Schließmuskels an die Harnröhre angenäht, so dass die Betroffenen wieder ein Speicherorgan Blase haben und kontrolliert entleeren können.
Der oberflächliche Blasenkrebs
Bereits 1976 begann die Ära der Immuntherapie der Blase
  • Ta low Grade Tumor der Blase (oberflächlich, wenig aggressiv)
  • Ta high Grade Tumor der Blase (oberflächlich, aggressiv)
  • Carcinoma in situ (oberflächlich, aggressiv, flächig wachsend)
  • T1-4 high Grade Tumor der Blase (in tiefere Schichten aggressiv einwachsender Blasenkrebs)
Wenn BCG nicht mehr hilft
Warum ist auf einmal der oberflächliche Blasenkrebs wieder im Fokus des Erfolgs?
Die Viren wurden in ihrem Kopf mit dem Genabschnitt beladen, der zur Produktion von Interferon führt (= genetischer Kampfstoff). Wenn das Virus an der Tumorzelle andockt, spritzt es diesen Genteil in den Zellkern der Tumorzelle. Dann fängt die Tumorzelle an, dieses Genstück in Eiweiss zu übersetzen. Damit produziert die Zelle durch den „Hackerangriff“ selbst das Interferon, das sie selbst „umbringt“. Durch verschiedene Mechanismen (siehe Text unten) verliert die Zelle ihre Überlebensfähigkeit und löst sich auf.
Wichtige Entdeckungen auf dem Weg zur Gentherapie der Blase
  • 1957 entdeckten der Brite Alick Isaacs und der Schweizer Jean Lindenmann das Interferon. Es handelt sich um körpereigene Eiweisse, die immunstimulierend wirken, aber auch direkt Viren und Tumorzellen zerstören. Sie werden vor allem in weissen Abwehrzellen (Leukozyten) und Bindegewebszellen (Fibroblasten) gebildet.
  • 1979 gelingt es Charles Weissmann in Zürich, die Gene zur Bildung von menschlichem Interferon in Bakterien zu übertragen (rekombinante DNA). Damit konnte reines Interferon in beliebigen Mengen hergestellt werden.
  • Im Jahre 2002 beweisen Mainzer Urologen und Pathologen erstmals, dass eine Gabe von Viren in die Blase dort wirkt. Die Arbeitsgruppe hatte es Patienten vor der geplanten operativen Blasenentfernung in die Blase gegeben und man konnte den Viruseffekt dann in den Zellen der entnommenen Blase nachweisen. Damit gelang erstmals der „proof of concept“ einer zukünftigen Gentherapie der Blase mit Hilfe von Viren als Transportvehikeln.
  • Im gleichen Jahr entdeckt eine Arbeitsgruppe in Texas, dass man durch die Gabe eines bestimmten Stoffes in die Blase (Syn3 genannt) die oberflächliche innere Schutzschicht der Blase „aufweichen“ kann, so dass Viren um ein Vielfaches besser in darunter gelegene Zellschichten eindringen können.
  • 2004 gelingt es der gleichen Arbeitsgruppe in Texas, tierexperimentell bei Mäusen mittels Virentransfer in den Tumorzellen die Produktion von Interferon zu stimulieren, was zu einem deutlichen Rückgang des Tumorbefalls der Blase führt.
  • Im Jahre 2006 erscheint eine Arbeit, in der mitgeteilt wird, dass man beim oberflächlichen aggressiven Blasenkrebs sowohl BCG als auch Interferone direkt in die Blase gegeben hat. Bei 45 % der Betroffenen kam es zu einem Ansprechen.
  • Mehrere Arbeitsgruppen identifizieren den Wirkmechanismus des Interferons im Blasentumorgewebe. Es kommt zu einer Abnahme der Gefäßbildung, so daß der Tumor „austrocknet. Das führt zum Zelluntergang, der sogenannten Apoptose und einem geminderten Zellwachstum.
  • 2013 werden die ersten Ergebnisse der Phase 1 Testung mit Erkrankten veröffentlicht. Es gelang durch die Gentherapie, bei 6 von 14 Patienten (43 %) nach Versagen mit BCG eine komplette und anhaltende Heilung zu erzielen.
  • Im Januar 2021 werden die Ergebnisse einer großen Phase 3 Studie bei Patienten mit einem Carcinoma in situ veröffentlicht, die nicht auf die Therapie mit BCG angesprochen haben (sogenannte BCG-Versager). Durch eine einmalige Gabe der „Therapieviren“ in die Blase war es bei 55 von 103 Patienten (53,4 %) nach 3 Monaten zu einem kompletten Ansprechen gekommen. Bei 25 der 55 Patienten (45,5 %) mit einem Ansprechen war der Erfolg auch noch nach 12 Monaten nachweisbar. Mit Ausnahme einer leichten und kurz andauernden Blasenreizung kam es zu keinen Nebenwirkungen.
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