Was hat New York mit der Prostata zu tun?

Wenn man in New York vor dem Jahr 2016 beim öffentlichen Urinieren – dem sogenannten Wildpinkeln – erwischt wurde, endete es mit einer Festnahme und einem Gerichtsverfahren. Bürgermeister Bill de Blasio hat das geändert, um die „hart arbeitende Polizei“ und Gerichte zu entlasten. Aber in diesem Beitrag geht es nicht um die New Yorker Polizei, sondern einen wunderbar praktikablen Weg, den Wert der Pflanzentherapie bei der Linderung der eigenen Prostatabeschwerden abzuschätzen. Und weil die Idee von 2 New Yorker Urologen stammt, habe ich den Weg als „New-Yorker 3-Monats Regel“ bezeichnet.

Da die meisten älteren Männer von Blasen- und Prostataproblemen betroffen sind, handelt es sich hier um einen äußerst lukrativen und milliardenschweren Markt. Was liegt näher, als genau den Ort des Problems – nämlich die Toilette – zum Zielgebiet für Werbung zu machen? Sprach man früher vom stillen Örtchen, so ist dieser heute auf Tankstellen und Gaststätten zum umkämpften Ort für Aufmerksamkeit geworden. Aber auch im Fernsehen werden Männer auf Blasen- und Prostataprobleme angesprochen und mit frei verkäuflichen pflanzlichen Mitteln Heilung oder zumindest Besserung versprochen.

Die Tankstellentherapie

Öffentliche Toiletten sind meist Orte, die Nutzer nicht länger als nötig aufsuchen. Zur Darmentleerung ist man mit einer Schwebeposition und »No-touch-Strategie« des Toilettensitzes so beschäftigt, dass Werbemaßnahmen an den Wänden unbeachtet bleiben. Da ist der Werbeblock vor der Tagesschau für den asiatisch klingenden „Darmcocktail“ der bessere Werbeplatz.

Aus Roth / von Rundstedt „Der Prostata- und Blasenguide“ (Droemer-Knaur-Verlag 2023)

Bei den Urinalen der Männer ist die Situation gänzlich verschieden. Die Nutzer schauen an die Wand oder in das Urinal; und da eine durchschnittliche Blasenentleerung 40 Sekunden dauert, ist es sinnvoll, die Wände über den Urinalen oder kleine Displays auf den Urinalen zu nutzen. Der Werbespruch eines kommerziellen Anbieters lautet deshalb: »Toilettenwerbung – Werbung, für die man sich Zeit nimmt.«

Es gibt keine belastbaren Statistiken, wie umsatzstark der Markt der Toilettenwerbung im öffentlichen Bereich ist. Ein Schweizer Anbieter von Urinalen mit einem eingebauten Display wirbt mit unglaublichen Akzeptanzwerten, weil sich über 90 Prozent der Nutzer auch später noch an die Werbung auf dem Urinal erinnern. Und idealerweise werden Produkte beworben, die der Mann verschreibungsfrei selbst in der Apotheke kaufen oder im Internet bestellen kann. Ein treffender Werbespruch lautet »Weniger müssen müssen.«

Aber aufgepasst: Die Illusion oder das falsche Versprechen einer »Heilkraft«

Fragt man ältere Männer in der urologischen Sprechstunde nach ihren Medikamenten, gibt ungefähr ein Viertel an, dass sie regelmäßig ein pflanzliches Präparat für die Prostata einnehmen. Auf die gezielte Nachfrage, ob sie Beschwerden hätten, wird dies verneint. Die Männer glauben vielmehr, »sich etwas Gutes zu tun« und dass die viel beworbenen Pflanzenstoffe ihre Prostata gesund erhalten. Sozusagen eine Vitaminkur für die Prostata.

Zahlreiche Untersuchungen haben aber gesichert, dass kein pflanzliches Präparat in der Lage ist, eine Prostatavergrößerung oder die Entwicklung eines Prostatakrebs zu verhindern. Bei einigen Männern bessern sich Beschwerden wie ein plötzlicher Harndrang, was aber nichts mit einem Heilmittel zu tun hat, das eine Erkrankung heilt. Der Slogan eines Anbieters: »Brennnesselwurzel: Bedeutsame Heilkraft für die Harnwege.« ist eine unbewiesene Behauptungen, wie sie kein Hersteller eines pharmazeutischen Produkts aufstellen dürfte.

Bei „nervösen“ Beschwerden der Prostata wie einem plötzlichen Harndrang wird auch von Fachleuten der Versuch einer pflanzlichen Therapie empfohlen. Die Präparate werden aber nicht von den Krankenkassen erstattet, weil ihr Wirknachweis nicht wissenschaftlich erbracht worden ist.
Phytotherapeutika: Ein Versuch ist es wert

Weltweit empfehlen Urologen heute einen Stufenplan. Am Anfang äußern sich die Prostataprobleme meist mit plötzlichem Blasendruck und vermehrten Blasenentleerungen. In dieser irritativen Phase ist der Harnstrahl in der Regel noch kräftig, und die Blase wird weitgehend ohne Restharn leer. In diesem Stadium der »prostataverursachten Reizblase« kann man eine pflanzliche Therapie versuchen. Bessern sich die Beschwerden, kann der Betroffene nach einigen Wochen selbst entscheiden, ob sich für ihn eine Fortsetzung der Therapie lohnt. Denn man muss wissen, dass die Phytotherapeutika als pflanzliche Mittel seit 2004 nicht mehr von den Krankenkassen erstattet werden.

Fast zu einfach, um wahr zu sein! Man kann bei irritativen Blasenbeschwerden verschiedene Pflanzenmittel versuchen. Wichtig ist, ein Ausgangsprotokoll zu erstellen, dann immer 1 bis 3 Monate das pflanzliche Präparat einnehmen und mit einem Protokoll abbilden, ob sich etwas zum Guten verändert hat. Und wenn nicht, noch andere Präparate versuchen – und wenn sich kein wesentlicher Unterschied ergibt, eventuell auf ein „chemisches“ Präparat wechseln.
Praxistipp: die »New Yorker Drei-Monats-Regel«

Genau dafür haben die New Yorker Urologen Elliot Fagelman und Franklin C. Lowe einen Vorschlag formuliert, den ich deshalb als »New Yorker Drei-Monats-Regel« bezeichne. Sie schlagen vor, dass gegebenenfalls nacheinander immer für ein bis drei Monate verschiedene pflanzliche Präparate eingenommen werden und dabei protokolliert wird, ob sich die Beschwerden bessern. Wichtig ist dabei, einen Ausgangsbefund in Form eines Blasenprotokolls zu erheben, um einen objektiven Vergleich zu haben. Dabei sollte insbesondere das Hauptproblem dokumentiert werden wie beispielsweise die Häufigkeit des nächtlichen Aufstehens oder das Auftreten eines plötzlichen Harndranges.

Kommt es zu keiner spürbaren Besserung der Beschwerden, sollten die Betroffenen nicht mit der Einnahme der pflanzlichen Präparate fortfahren. Denn es kostet Geld, das man sinnvoller für seine Gesundheit einsetzen kann, wie beispielsweise den regelmäßigen Besuch eines Sportstudios. Und wenn sich die Beschwerden verschlimmern, sollten dann vom Urologen entsprechend dem Stufenplan (siehe Bild oben) dann definiert wirksame chemische Präparate verschrieben werden.

Botschaft am Ende

Verwechseln Sie nicht den Glauben auf Verhinderung einer Erkrankung der Prostata mit der Besserung von vorhandenen Beschwerden. Es kann sein, dass sich Beschwerden der Prostata durch pflanzliche Mittel bessern. Dann nehmen sie das Präparat weiter, auch wenn Sie es selbst bezahlen müssen. Aber seien sie gewarnt vor dem Irrglauben, dass Sie mit pflanzlichen Präparaten eine Vergrößerung der Prostata oder eine bösartige Entartung verhindern können. Wenn das so wäre, hätten sich die Hersteller das Präparat irgendwie schützen lassen, um damit einen weltweiten Markt zu erobern. Aber das geht nicht mit Glauben, sondern nur mit Fakten.

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