Schon lange ist akzeptiert, dass chronische Entzündungen zu einer Gewebereizung und vermehrtem Zellwachstum führen. Das kann in einigen Fällen zu einem ungebremsten Wachstum wie Krebs übergehen. Bei zwei speziellen Formen der chronischen Blasenreizungen bei der Harnblase passiert genau das:
- bei einem Befall mit Saugwürmern (Schistosoma haematobium)
- und die jahrelange Anwendungen von Dauerkathetern bei gelähmten Patienten
Da auch wiederkehrende Blasenentzündungen nichts anderes sind als eine chronische Blasenreizung, muss die Frage gestellt werden, ob dadurch auch Blasenkrebs ausgelöst wird?
Blasenkrebs durch Saugwürmer (Bilharziose)
Eine Infektion mit Saugwürmern löst die Blasenbilharziose aus. Diese Wurmerkrankung ist besonders im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika verbreitet und wird durch verunreinigtes Wasser übertragen. Die Würmer kommen dann über den Blutweg bis in die Blase und verursachen dort eine chronische Entzündung mit Blutungen. Außerdem kann das zu einer Schrumpfblase und zur Entstehung von Blasenkrebs führen.
Chronische Entzündungen durch Blasenkatheter
Inzwischen weiß man, dass körperbehinderte Menschen, die über einen sehr langen Zeitraum einen Blasenkatheter tragen müssen, ein erhöhtes Risiko für ein Blasenkrebs haben. Der Katheter als Fremdkörper führt zu einer permanenten Gewebereizung. Deshalb sollen bei diesen Patient*innen regelmäßig Untersuchungen – auch mit einer Blasenspiegelung – erfolgen. Tritt ein Blasenkrebs auf, ist mitunter auch die operative Entfernung der Blase erforderlich, um eine Streuung des Tumors zu verhindern.
Führen Blasenentzündungen zu Blasenkrebs?
Folgerichtig wird schon lange untersucht, ob auch der chronische Reiz durch immer wiederkehrende Blasenentzündungen zur Entstehung von Blasenkrebs führt. Viele Untersuchungen ergaben zwar Hinweise, hatten aber meist zu geringe Fallzahlen, um über Vermutungen hinaus zu kommen.
Deshalb wurde vor einigen Jahren in den Niederlanden die weltweit größte Studie zur dieser Frage durchgeführt. Mehr als 6000 Menschen aus der Gegend von Nijmegen wurden untersucht und befragt.
Mit komplizierten rechnerischen Modellen konnte gezeigt werden:
- Hatten jüngere Frauen nur bis zu 5 Blasenentzündungen, war ihr Risiko, später einen Blasenkrebs zu erleiden, reduziert.
- Hatten hingegen ältere Frauen nach dem 50 Lebensjahr häufig bakterielle Blasenentzündungen, war ihr Risiko, an Blasenkrebs zu erkranken, erhöht.
Auf der Suche nach Erklärung ist vor allem die Frage wichtig, warum gerade ältere Frauen nach dem 50 Lebensjahr, die relativ häufig wiederkehrende Blasenentzündungen haben, ein erhöhtes Risiko haben.
Stickstoffmonoxid (NO) könnte die Ursache sein
Der kleine Botenstoff Stickstoffmonoxid (NO) spielt bei vielen normalen, aber auch krankhaften Prozessen im Körper eine wichtige Rolle. Für die Entdeckungen der vielfältigen Funktionen des NO wurde 1968 drei Amerikanern der Nobelpreis für Medizin zugesprochen. Eine wesentliche Funktion ist die Erweiterung von Blutgefäßen, was zu einer Senkung des Blutdruckes, aber auch zu einer verbesserten Durchblutung des Penis mit einer Erektionsförderung führt.
Es gibt allerdings auch Hinweise, dass NO bei der Krebsentstehung eine wichtige Rolle spielt. Denn man findet es im Gewebe von Blasenkrebs häufiger als im Gewebe von gesunden Blasenproben. Welche Rolle NO dabei spielt, ist noch Spekulation. Vielleicht führt die Erweiterung der Blutgefäße zu einem erleichterten Einwandern von „Giftstoffen“, die eine Entartung begünstigen. Sicher ist jedoch, dass NO bei allen Entzündungen vermehrt gebildet wird.
Warum das Risiko, bei wiederkehrenden Entzündungen leichter an einem Blasenkrebs zu erkranken, „nur“ bei älteren Frauen auftritt, ist (noch) unklar. Ist das Gewebe altersbedingt anfälliger für nicht oder nur schlecht heilbare Schäden durch NO?
Botschaft am Ende
Die große und aufwendig durchgeführte niederländische Nijmegen-Studie bestätigt viele Hinweise, dass nicht nur chronische, sondern auch wiederkehrende Entzündungen der Blase bei älteren Frauen das Risiko erhöhen, an einem Blasenkrebs zu erkranken.
Ob bei älteren Frauen mit wiederkehrenden Blasenentzündungen deshalb regelmäßig eine Blasenspiegelung erfolgen muss, kann (noch) nicht geschlußfolgert werden. Aber zumindest erscheinen regelmäßige Urinuntersuchungen mit speziellen Testverfahren wie der Urinzytologie ratsam.