Revolution: Antibiotika direkt in die Blase

Wiederkehrende Entzündungen der Blase oder starke Nebenwirkungen von Antibiotika, beides kann für Betroffene zu einer Qual werden.

Inzwischen gibt es sehr viele Betroffene, die kein Antibiotikum mehr einnehmen wollen, weil sie dadurch starke Nebenwirkungen haben. Gefürchtet sind die Nebenwirkungen des Darmes, da natürlich auch dort millionenfach wichtige Bakterien getötet werden. Deshalb ist die Suche nach Alternativen groß.

Eine zuverlässige und hoch effektive Hilfe ist die Direktgabe eines Antibiotikums in die Blase. Bei dieser lokalen Antibiose werden Nebenwirkungen vermieden. Das Antibiotikum wirkt dann nur dort, wo der Schaden ist, nämlich in der Blase. Immer wieder fragen Betroffene, ob es denn nicht über die Blase ins Blut aufgenommen würde oder in der Blase schädlich sei. Beides kann man eindeutig verneinen!

Am besten ist eine Selbsttherapie!

Wenn man eine Entzündung der Blase hat oder diese gerade beginnt, ist die Zuverlässigkeit, mit der die Betroffenen das richtig einschätzen, sehr groß. Wenn nicht-antibiotische Massnahmen (viel Trinken, Schmerzmittel, pflanzliche Präparate). versagen und es sich um einen chronischen Verlauf mit immer wiederkehrenden Blasenentzündungen handelt, genau dann ist die Direktgabe eines Antibiotikums in die Blase geeignet.

Am liebsten würden die Betroffenen dann zu einem Arzt gehen und sich das Antibiotikum in die Blase geben lassen. Das ist zwar grundsätzlich möglich, aber unrealistisch, denn:

  1. die Wahrscheinlichkeit, sofort einen Termin zu bekommen, ist gering !
  2. meistens muss das Antibiotikum über mehrere Tage in die Blase gegeben werden
  3. sehr gut ist die Gabe des Antibiotikums zur Nacht, damit es lange in der Blase einwirken kann. Das kann man realistisch nur durch eine Selbstgabe umsetzen.
 
Wer bringt mir das denn bei?

Die Technik muss zwar erst erlernt werden, ist jedoch viel einfacher umzusetzen als die meisten Betroffenen am Anfang glauben. Und es ist tatsächlich komplett schmerzfrei. Zum Erlernen gibt es mehrere Möglichkeiten:

  1. Es gibt sogenannte „homecare-Firmen“, deren Mitarbeiter den Betroffenen den Selbstkatheterismus beibringen. Meist handelt es sich um Mitarbeiter/innen von Firmen, die selbst Katheter vertreiben.
  2. Mitunter gibt es in den urologischen Praxen Mitarbeiter/innen, die das den Betroffenen zeigen. 
  3. Seit vielen Jahren gibt es Urotherapeutinnen und Urotherapeuten, die eine spezielle Schulung durchlaufen haben. Meist sind sie jedoch in Kliniken und Zentren tätig und können bei der Umsetzung wenig helfen. Sie können aber über den Dachverband eine Adressenliste erhalten und versuchen, hier Hilfe zu bekommen.
 
Welches Antibiotikum soll man nehmen?

Auch wenn es nur wenige Studien gibt, ist die Gabe von Gentamicin am besten geeignet. Es handelt sich um ein hoch wirksames Antibiotikum, gegen das die meisten Bakterien sensibel sind. Es ist schon lange bekannt, wird aber nur sehr eingeschränkt eingesetzt, da es nur über die direkte Gabe ins Blut verabreicht werden kann. Außerdem hat dieses Antibiotikum deutliche Nebenwirkungen wie beispielsweise eine Schädigung des Hörnerven, was aber bei der Gabe in die Blase nicht auftreten kann.

In der Dosierung gibt es keine eindeutigen Vorgaben. Es können im Infekt 40 bis 80 Milligramm Gentamicin gegeben werden. Man gibt es in steriler Lösung gelöst in die Blase und läßt es dort über Nacht. Dann kann es in hoher Dosierung und insbesondere ausreichend lange wirken. 

Wie stellt man die Lösung her?

Es gibt mehrere Möglichkeiten.

  1. Es gibt Apotheken, bei der man die fertige Lösung beziehen kann. Das Antibiotikum ist dann in physiologischer Kochsalzlösung und kann in die Blase gegeben werden. Allerdings ist das Antibiotikum nur begrenzte Zeit in der Lösung stabil.
  2. Man kann sich die Lösung auch selbst herstellen. Hierzu nimmt man eine 100 ml Flasche mit physiologischer Kochsalzlösung und füllt mit einer sterilen Spritze 5 Ampullen mit jeweils 80 mg Gentamicin in die 100 ml-Flasche. Wenn man diese Lösung schüttelt, kann man sich mit einem entsprechenden Adapter (den man wieder verschließen kann) jedesmal 20 ml mit einer Einmalspritze abziehen und dann in die Blase geben. In diesen 20 ml wären dann 1/5 der Antibiotikamenge, also 80 Milligramm.
  3. Theoretisch kann man sich die Lösung auch jedes Mal separat zubereiten. Der Aufwand ist dann größer. Das kann aber der / die Betroffene selbst entscheiden. 
  4. Es ist aber NICHT ratsam, die kleine Menge ( 2 Milliliter) mit dem Antibiotikum unverdünnt aufzuziehen und über den Katheter einzuspritzen. Denn man muss mit Kochsalz nachspülen, weil sonst die geringe Menge des Wirkstoffs im Inneren des Katheters bleibt. Wechselt man dafür die Spritze mit dem Antibiotikum gegen die Spritze mit Kochsalz zum Nachspülen, läuft man Gefahr, das das Antibiotikum wieder aus dem Katheter „nach draußen“ läuft. Deshalb vorher eine verdünnte Lösung anfertigen und die in die Blase geben.
 
Technik der Selbst-Katheterisierung

Mit Hilfe eines Spiegels (3) können die Betroffenen im Sitzen (1) oder Stehen (2) einen Katheter sauber in die Blase einführen. Anschließend lässt man die Blase erst leer laufen. Das hat auch den Vorteil, dass eventuell aus Versehen eingebrachte Bakterien direkt wieder ausgespült werden. Anschließend gibt mit einer Spritze das flüssige Antibiotikum in die Blase. Am besten nimmt man dabei eine Fertiglösung, die man über eine Apotheke beziehen kann oder selbst herstellt.

Und wie geht das praktisch?

Der Katheter hat eine dünne und flexible Spitze, mit der der Weg in die Blase sehr leicht gelingt. Direkt davor sind 2 Öffnungen, über die das Mittel in die Blase eingespült wird. Das andere Ende des Katheters hat einen trichterförmigen Ansatz. Da das trichterförmige Ende nicht direkt auf die Spritze passt, wird ein Zwischenstück genutzt, ein sogenannter Stufenkegel-Adapter. Diese Adapter sind als Einmalprodukt über Sanitätshäuser oder Apotheken zu beziehen.

Die sogenannten Stufenkegel-Adapter gibt es in verschiedenen Ausführungen. Auf der einen Seite ist das schräge Ende, das in den trichterartigen Ansatz des Einmalkatheters eingeführt wird. Auf der anderen Seite ist entweder eine Steckverbindung (oben) oder eine Schraubverbindung (unteres Beispiel). In der Regel ist zur Gabe der lokalen Antibiotika die Steckverbindung ausreichend. Sie finden dieses Stufenkegel-Adapter in vielen Online-Shops oder Sanitätshäusern.

Man sollte die Spritze mit der fertigen Lösung und dem bereits aufgesetzten Stufenkegel-Adapter bereit legen, sich dann katheterisieren, die Blase leer laufen lassen und dann den Adapter auf das Katheternde aufsetzen und sich die Lösung in die Blase einspritzen.

Wie oft und wieviel soll man geben?

Es gibt hierzu noch keine fest etablierten Schemata. Bei einem akuten Infekt erscheint die Gabe von 2 x 60-80 mg Gentamicin am Morgen und am Abend sinnvoll – wichtig ist, dass das Antibiotikum möglichst lange in der Blase verbleibt. Auch wenn das beim akuten Infekt der Blase wegen der Reizung alles andere als einfach ist.

Ist der akute Infekt der Blase ausgeheilt, kann man  warten, bis der nächste Infekt auftritt. Es gibt aber Betroffene, die so häufig wiederkehrende Entzündungen bekommen, dass sie sich zu einer Art vorbeugender Gabe des Antibiotikums entscheiden. Ein vorgeschlagener Weg ist dann die Gabe von 2 x  30 mg Gentamicin in die Blase.

Kann man auch andere Antibiotika nehmen?

Was machen, wenn Gentamicin nicht wirkt, weil die auslösenden Keime resistent geworden sind? Die Frage hat bislang noch kein Mensch untersucht. Wir sind gerade mit einer Arbeitsgruppe in Basel dabei, andere Flüssigantibiotika, die man sonst ins Blut spritzt, auf ihre Wirksamkeit zu testen. Denn das Urinmilieu ist nicht mit dem Blutmilieu zu vergleichen und die Wirksamkeit der Flüssigantibiotika wurde nur für das Blut erbracht.

Ist diese Therapie zugelassen?
Botschaft am Ende

Wenn aber die Blasenentzündungen immer wieder kommen und alle anderen Massnahmen versagt haben, dann ist die direkte Gabe eines Antibiotikums in flüssiger Form in die Blase hoch effektiv. Es wird nach meiner Ansicht die Therapie der wiederkehrenden Blasenentzündungen revolutionieren. Denn man hat eine praktikable Lösung und muss lediglich bereit sein, die Technik zu erlernen.

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