In einem früheren Beitrag habe ich ausführlich beschrieben, dass es sich bei der direkten Gabe eines Antibiotikums in die Blase zur Behandlung insbesondere wiederkehrender Blasenentzündungen zwar um eine revolutionär-einfache, aber leider fast unbekannte Therapie handelt. Und vor allem: Auch wenn die Effektivität dieser Maßnahme in Untersuchungen gezeigt wurde, ist die Gabe des Medikaments in die Blase dafür nicht zugelassen.
Warum ist die Gabe des Antibiotikums direkt in die Blase nicht zugelassen?
Es ist wie bei vielen Medikamenten, die bei Kindern genutzt werden – ohne dafür zugelassen zu sein. Nur im Ausnahmefall würde eine Firma eine (aufwendige) Zulassung eines bekannten und zugelassenen Medikamentes für eine neue Verabreichung wie in die Blase anstreben. Denn die erforderliche Studie wäre sehr teuer und die dabei entstehenden Kosten würden nicht durch den späteren Verkauf des Medikamentes erwirtschaftet. Das ist übrigens der Grund, warum heute die meisten medikamentösen Innovationen bei häufigen Erkrankungen und nicht bei seltenen Erkrankungen passieren.
Ähnlich ist es mit Antibiotika, die als Tabletten oder zur Gabe ins Blut zugelassen sind. Nachzuweisen, dass sie auch in der Blase wirken, wäre ein großer (Studien)Aufwand. Und wäre dann die Effektivität nachgewiesen, hätte die Firma noch nicht einmal ein Exklusivrecht – denn es handelt sich ja um kein patentgeschütztes neues Medikament. Vielmehr könnten andere Firmen auf den Zug aufspringen und das gleiche Antibiotikum zur Anwendung in der Blase. Genau deshalb wird leider keine Firma eine Zulassungsstudie zur Wirksamkeit von flüssigen Antibiotika in der Blase auf den Weg bringen.
Improvisation gefragt!
Um das flüssige Antibiotikum in die Blase zu bekommen, muss man ein wenig improvisieren und sich die Materialen zusammenstellen. Es sieht nur am Anfang kompliziert aus, ist es aber nicht. Im Idealfall gäbe es eine fertige Rezeptur in einer passenden Spritze, was es aber bislang nicht gibt. Ich gebe hier die Anleitung wieder, die ich selbst für Betroffene zusammengestellt habe und ihnen zukommen lasse, damit sie die Möglichkeit haben, diese alternative (und hoch effektive und praktisch nebenwirkungsfreie) Behandlungsform anzuwenden.
Ein Wort zu den Materialien
Die hier abgebildeten Materialien habe ich gewählt, weil sie bei uns im Klinikum angewendet werden. Sicher gibt es auch andere Firmen, die Dreiwegehähne und Stufenkegel und Extra-Spikes herstellen. Hier kann jeder selbst in seinem Sanitätshaus oder der Apotheke oder im Netz recherchieren. Finden Sie eine verbessernde Alternative, sagen Sie mir bitte Bescheid, damit ich es weitergeben kann.
Schritt 1: Das Antibiotikum aus der Ampulle in die Flasche bringen
- Nehmen Sie eine 100 ml Flasche mit physiologischer Kochsalzlösung. Diese bekommen Sie in jeder Apotheke.
- Füllen Sie 5 x 2 ml (je 80 mg) Gentamicin über Extra-Spike oder mit Hilfe einer sterilen Nadel in die Kochsalzflasche ein.
- Dann sind in der 100 ml (Milliliter) Kochsalz-Flasche noch zusätzlich 10 ml mit Gentamicin (5 x 2 ml) mit jeweils 80 mg (Milligramm) Gentamicin. In der Flasche mit 100 ml Kochsalz und 10 ml Gentamicin sind dann 400 mg des Antibiotikums. Entnimmt man 11 ml von dem Gemisch, enthält es ca. 40 Milligramm Gentamicin.
- Entnehmen Sie das verdünnte Antibiotikum am besten mit einem sogenannten Extra-Spike. Den kann man mit einem Klappenverschluss einfach verschließen bzw. für die nächste Entnahme einfach öffnen.
- Stellen Sie die Flasche mit der verdünnten antibiotischen Lösung nach der Entnahme in den Kühlschrank. Die Lösung hält mindestens 4 Wochen.
- Wenn Sie eine akute Blasenentzündung haben, spritzen Sie sich 2 mal am Tag jeweils 80 mg Gentamicin (= ca. 20 ml der Lösung) in die Blase.
- Wichtig zu wissen: Es gibt keine festgelegte Dosis. In einigen Studien haben die Betroffenen 2 x 40 mg in die Blase gegeben und hatten auch gute Erfolge.
- Aus das ist wichtig: Halten Sie die Lösung möglichst lange in der Blase, damit das Antibiotikum wirken kann. Trinken Sie vorher möglichst wenig, weil Sie sonst wieder schnell die Blase entleeren müssen.
- Sollten die Beschwerden nach 1-2 Tagen nicht besser werden, lassen Sie beim Urologen / Urologin eine Resistenzbestimmung (sogenanntes Antibiogramm) Ihres Keimes vornehmen. Vielleicht ist Ihr Keim auf Gentamicin resistent – was selten vorkommt, aber möglich ist.


Schritt 2: Das Antibiotikum aus der Flasche in die Blase bringen
- Öffnen Sie die Verschlussklappe des Extra-Spike und setzen Sie eine sterile 20 ml Spritze auf den Extra-Spike. Kippen Sie die Flasche soweit, dass Sie das Wirkstoffgemisch ohne Luft in die sterile Spritze ziehen können.
- Entnehmen Sie – wie oben geschildert – die entsprechende Menge des verdünnten Antibiotikums.
- Um den Kalibersprung zwischen dem trompetenförmigen Ende des Einmalkatheters und der Spritze auszugleichen (siehe Bild unten), gibt es einen Adapter, den sogenannten „Stufenkegel“. Auf den könnte man die Spritze mit dem Wirkstoff direkt aufsetzen. Aber: Spritzt man nur das Gemisch mit dem Wirkstoff, verbleibt automatisch ein Großteil der Flüssigkeit im Innenraum des Katheters ohne zum Ort des Geschehens in der Blase zu gelangen.
- Deshalb sollte man mit „neutraler“ Flüssigkeit das Wirkstoffgemisch aus dem Innenraum des Katheters in die Blase „schubsen“. Grundsätzlich könnte man die 1. Spritze abnehmen und schnell eine 2. Spritze mit Kochsalz zum Nachspritzen aufsetzen. Wahrscheinlich würde dann aber einiges aus der Blase und dem Katheter herauslaufen – es sei denn, man würde vor Absetzen der Spritze den Katheter „Damit dann aber nicht der Wirkstoff aus der Blase oder dem Innenraum des Katheters ausläuft, müßte man den Katheter“händisch“ abknicken oder mit einer Klemme verschließen.

- Einfacher, wenn auch etwas materialaufwendiger, ist die Verwendung eines sogenannten Dreiwegehahns. Mit dem kann man die Zulaufwege getrennt befüllen und die Wirkstoffe nacheinander einfüllen. In der in der Abbildung gezeigten Stellung des Drehaufsatzes kann man nacheinander die beiden Spritzen einfüllen, ohne an dem Dreiwegehahn bzw. dem blauen Drehaufsatz drehen zu müssen.
- Man spritzt dann zunächst das Antibiotikum (ca. 20 ml) in die Blase ein und danach die 2. Spritze mit reiner physiologischer Kochsalzlösung , die auf dem zweiten Zugang des 3-Wegehahns sitzt. Durch dieses „Manöver“ mit der 2. Spritze wird der Wirkstoff (= Inhalt der 1. Spritze) aus dem Innenlumen des Katheters noch in die Blase „geschoben“.
- Ist der Inhaltsstoff beider Spritzen in der Blase, soll man dann den Katheter mit dem Aufsatz von Stufenkegel und 3-Wege-Adapter schnell herausziehen und entsorgen.

Wo bekomme ich die Materialien?
- Gehen Sie in eine Apotheke oder ein Sanitätshaus, die können Ihnen die Sachen besorgen. Ich rate Ihnen aber, vorher selbst im Internet zu recherchieren, da zum Teil erhebliche Preisunterschiede bestehen.
- Eine Patientin hat mich einmal gebeten, ihr die „PZN“ zu schicken. Damit ist die PharmaZentralNummer gemeint. Dies ist eine in Deutschland bundeseinheitliche Identifikationsnummer zur eindeutigen Identifikation von Arzneimitteln, Hilfsmitteln und anderen Apothekenprodukten.
- Das sollte aber jeder für sich recherchieren, um die preiswerteste Lösung zu finden. Denn selbst wenn es sich um funktionell ähnliche oder identische Produkte wie beispielsweise einen Stufenkegel handelt, hat jedes Produkt eines Herstellers eine eigene PZN, da sie spezifisch für Hersteller, Verpackungseinheit und manchmal auch für bestimmte Varianten (z. B. Länge, Durchmesser oder Material) vergeben wird. Also haben die Stufenkegel der verschiedenen Hersteller verschiedene PZN.
- Wenn Sie einmal Ihr System auch in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit und dem Preis zusammen haben, findet man bei jedem Produkt leicht die PZN.
- Sie können versuchen, dass Ihnen die Materialien per Rezept von der Krankenkasse erstattet werden. Da es sich jedoch um kein offiziell anerkanntes Verfahren handelt, wird sich Ihr Urologe / Urologin vermutlich damit schwer tun, Ihnen die Sachen auf einem Kassenrezept zu verschreiben. Denn die Krankenkassen können Ärzte „in Regress“ nehmen. Das bedeutet unter anderem, dass falls ein Arzt ein Medikament oder ein Hilfsmittel verschreibt, das nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird, er es selbst zahlen muss bzw. den verschriebenen Betrag persönlich der Krankenkasse rückerstatten muss.
- Es spricht aber nichts dagegen, dass Sie Ihren Arzt dann um ein Privatrezept bitten, auch wenn Sie dann die Kosten der Materialen selbst übernehmen müssen.
- Eine andere Möglichkeit ist, dass man als Betroffene mit dem zuständigen Sachbearbeiter bei der Krankenkasse spricht. Die finden mitunter Wege und Möglichkeiten, dass eine komplett oder teilweise Erstattung genehmigt wird und der Arzt von dem Damoklesschwert des Regresses entlastet wird.
